Ansprache am 12.6.2016
MehrWegGottesdienst
Liebe Gemeinde!
Super! Sie sehen heute richtig klasse aus. Es ist so toll, dass Sie gekommen sind. Was wären wir nur ohne Sie? Sie haben jetzt schon so toll mitgesungen, mitgemacht. Ein Gottesdienst ohne Gemeinde wäre ja schließlich überhaupt nichts. Und die schönen Beiträge in der Mehrwegphase! Da haben Sie sich richtig viele Gedanken gemacht. Nachher werden wir noch einige der Fürbitten vorlesen, aber eigentlich wären sie alle miteinander geeignet, vorgelesen zu werden. Schade, dass es einfach zu viele sind. Ich bin richtig stolz darauf, Teil dieser Gottesdienstgemeinde zu sein.
OK, merken Sie was? Wie geht’s Ihnen mit dieser Lobhudelei? Bisschen viel auf einmal, oder?
Ja, wir Deutschen sind da irgendwie sowieso nochmal ein bisschen besonders. In Italien sieht das ganz anders aus. Fängt schon beim Dankeschön an. Nicht einfach „Dankeschön“, sondern „mille grazie!“ - Tausend Dank! Ja, ist halt insgesamt eine etwas andere Mentalität da drüben. Obwohl man natürlich auch nicht 80 Millionen Deutsche alle über einen Kamm scheren kann. Aber vielleicht die Franken. „Nix gsachd is gnuch globd“. So, wie vorhin bei unserem kurzen Anspiel mit dem Essen.
Kennen Sie den Witz von dem Jungen, der kein Wort sprach? Bis zu seinem vierten Geburtstag hatte er kein einziges Wort von sich gegeben. Die Ärzte waren verzweifelt, die Familie auch. Sie hatten sich schon damit abgefunden, dass er wohl für immer stumm bleiben würde. Doch eines Tages beim Abendessen sagte er auf einmal: „Die Milch ist schlecht!“
Alle waren total begeistert. „Du kannst ja sprechen! Ein Wunder! Wie kommt das auf einmal?“
„Klar kann ich sprechen. Aber bisher war ja immer alles in Ordnung.“
Ach, das ist gar nicht so einfach mit dem Loben und auch dem gelobt werden. Das ging schon bei der Suche nach dem Plakatmotiv los.
Warum ist das eigentlich so schwer, jemanden zu loben oder auch Lob anzunehmen? Sollten wir das nicht viel öfter machen? Sowohl Loben als auch Lob annehmen.
Gott macht das ja schließlich auch mit uns.
Ja, genau.
Die allererste Geschichte der Bibel: Die Schöpfungsgeschichte mit den sieben Tagen. Das ist, so sehe ich das jedenfalls, zwar kein historischer Bericht, sondern eher eine Erzählung, die etwas über Gott aussagen will. Und diese Erzählung berichtet auch von den Menschen:
Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan.“ Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. (1. Mose 1, 27-28a.31a)
„Sehr gut“. Note eins. Mit Stern.
Du. Bist. Sehr. Gut.
Punkt.
Das war eigentlich genau der Punkt, an dem Martin Luther vor 500 Jahren war. Immer hatte er sich gefragt: Wie kann ich es hinkriegen, dass Gott mich anerkennt? Wie kann ich das schaffen, dass Gott mich liebt und dass ich in den Himmel komme? Und das war seine Erkenntnis: Gott hat das schon längst so gesagt. „Und siehe, es war sehr gut“. Von Anfang an. Muss ich gar nichts weiter dazu tun, außer das anzunehmen: Ich bin sehr gut.
Auf den ersten Blick scheint das heute ja niemanden mehr zu interessieren. Da haben wir eine tolle Botschaft, aber die Kirchen werden immer leerer und leerer. Warum ist das so? Das frage ich mich wirklich.
Vor einiger Zeit haben wir im Dekanat einen großen Studientag mit ganz unterschiedlichen Menschen veranstaltet, um mal gemeinsam herauszuarbeiten, was eigentlich Kinder und Jugendliche heute bewegt. Kinderärzte waren da, Lehrerinnen und Lehrer, alle möglichen Berufsgruppen. Und am Ende standen sehr viele Erkenntnisse, aber vor allem stach eine quer durch alle Altersgruppen heraus. Die Frage: „Bin ich etwas wert?“ „Bin ich gut so, wie ich bin?“ „Gehöre ich dazu?“ - ich könnte das jetzt noch in ein paar anderen Formulierungen sagen, aber es meint eigentlich immer das gleiche. Und darauf haben wir doch eine Antwort: „Und siehe, es war – und ist – sehr gut!“
Sie sind heute da und können das hören. Kompliment dafür, dass Sie gekommen sind! Nehmen Sie sich doch diesen Satz mit nach Hause. Nur diesen einen. Du bist sehr gut.
Du bist von Gott gewollt, kein Kind des Zufalls.
Es gibt noch eine andere Bibelstelle, an die ich dabei denken musste. Das sogenannte Doppelgebot der Liebe, das eigentlich ein Dreifachgebot ist. Jesus sagt: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen – und deinen Nächsten wie dich selbst.
Wenn wir das von hinten aufdröseln, dann steht da erst einmal: Liebe dich selbst! Nimm dich an! Mit deinen Fehlern und Schwächen, die zu dir gehören. Aber auch mit deinen Stärken. Du bist sehr gut!
Ich glaube, nur wer sich selbst so annehmen kann, der kann dann auch seinen Mitmenschen liebevoll begegnen. Und durch sie dann vielleicht Gott.
Wie wäre es, wenn Sie sich das ab jetzt jeden Morgen im Spiegel sagen? „Du bist sehr gut“. Das wäre doch ein ganz anderer Start in den Tag. Gott jedenfalls sagt es zu Ihnen. Damals, in der Taufe. Und jeden Tag neu.
Amen.